Achtung, ätzend!

Titelbild BGHM-Aktuell 2/2022, Person in Schutzanzug

Sicherer Umgang mit Gefahrstoffen

Über die Atmung, den Mund oder die Haut – Gefahrstoffe können auf unterschiedlichen Wegen in den menschlichen Organismus gelangen und diesen schädigen.

Bereits geringe Mengen der unter anderem zum Anätzen von Glas oder als Bestandteil verschiedener Reinigungsmittel für Industrie und Handwerk verwendeten Fluorwasserstoffsäure führen auf der Haut zu starken und schmerzhaften Verätzungen, die aufgrund zusätzlicher Wirkungen auf den menschlichen Stoffwechsel sogar zum Tod führen können.

Welche Arbeitsschutz-Maßnahmen gegen derartige Gefahren getroffen werden müssen und wie eine angemessene Gefährdungsbeurteilung zum Umgang mit Gefahrstoffen im Betrieb aussieht, erklärt Dr. Uwe Pucknat, Präventionsexperte bei der Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM).

Gefährdungsbeurteilung: fachkundig und kompetent

Üben Beschäftigte an ihrem Arbeitsplatz Tätigkeiten mit Gefahrstoffen aus oder können dort Gefahrstoffe freigesetzt werden, muss es eine diesbezügliche Gefährdungsbeurteilung geben, die von einer fachkundigen Person durchgeführt wurde: „Fachkundig bedeutet, die Person muss entweder über eine geeignete Berufsausbildung, einschlägige Berufserfahrung oder eine zeitnah ausgeübte entsprechende berufliche Tätigkeit sowie Kompetenz im Arbeitsschutz verfügen“, erläutert BGHM-Fachmann Dr. Uwe Pucknat.

Letzteres meint insbesondere die Kenntnis des entsprechenden technischen Regelwerks, darunter die Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) und die Hilfestellungen der gesetzlichen Unfallversicherungsträger, beispielsweise die DGUV-Informationsschriften sowie die Empfehlungen zur Gefährdungsermittlung der Unfallversicherungsträger. Verfügen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber selbst nicht über diese Kenntnisse, müssen sie sich fachkundig beraten lassen – etwa von der Fachkraft für Arbeitssicherheit oder der Betriebsärztin beziehungsweise dem Betriebsarzt.

Die Gefährdungsbeurteilung umfasst die 

  • Identifizierung aller Tätigkeiten mit Gefahrstoffen, inklusive der Freisetzung von Rauchen, Dämpfen, Stäuben oder Aerosolen auch von Nachbararbeitsplätzen, 
  • Informationsermittlung, 
  • Beurteilung der Gefährdungen durch Einatmen, Verschlucken und Hautkontakt nach Art, Ausmaß und Dauer, 
  • Beurteilung der Brand- und Explosionsgefahren, 
  • Festlegung geeigneter Schutzmaßnahmen nach dem STOP-Prinzip (siehe „Schutz mit dem STOP-Prinzip“), 
  • Unterweisung der Beschäftigten anhand einer Betriebsanweisung, inklusive arbeitsmedizinisch-toxikologischer Beratung, 
  • Dokumentation und Wirksamkeitskontrolle.

Hilfestellung für die Gefährdungsbeurteilung bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen bietet die TRGS 400.

Schutz mit dem STOP-Prinzip

Abhängig vom Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung sind geeignete Schutzmaßnahmen nach dem STOP-Prinzip zu treffen: das bedeutet die Substitution des Gefahrstoffes durch einen weniger gefährlichen Stoff oder die Optimierung von Verfahrensabläufen sowie technische, organisatorische und persönliche Schutzmaßnahmen zur Reduzierung der Gefährdung für die Beschäftigten – in ebendieser Reihenfolge.

Die Beschäftigten sind verpflichtet, die Schutzmaßnahmen anzuwenden. „Bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen gilt zudem immer die Maßgabe, Gefahrenbereiche räumlich zu begrenzen“, so Dr. Uwe Pucknat. „Bei Tätigkeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen der Kategorie 1A oder 1B sind zusätzlich Warn- und Sicherheitszeichen anzubringen sowie ein risikobezogenes Maßnahmenkonzept anzuwenden.“ Nähere Informationen zum risikobezogenen Maßnahmenkonzept enthält die TRGS 910. 

Informationen sammeln und bündeln

Wichtige Informationen über am Arbeitsplatz vorhandene Gefahrstoffe geben die Gefahrenpiktogramme des weltweit einheitlichen Systems zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien – des Globally Harmonised System (GHS). Einstufungs- und Kennzeichnungshinweise sind den jeweiligen Sicherheitsdatenblättern zu entnehmen.

Aber Achtung: „Das Fehlen einer Kennzeichnung bedeutet nicht, dass der Einsatzstoff ungefährlich ist. Denn oft werden Gefahrstoffe durch eine Tätigkeit erst freigesetzt, wie zum Beispiel Rauche bei Löt- und Schweißarbeiten oder Holzstäube beim Schleifen von Holzwerkstoffen“, warnt Dr. Uwe Pucknat.

Alle in einem Arbeitsbereich auftretenden Gefahrstoffe – auch solche, die erst im Arbeitsprozess freigesetzt werden – sind mit ihren gefährlichen Eigenschaften und den verwendeten Mengenbereichen in einem Gefahrstoffverzeichnis aufzulisten.