Arbeitsschutz Kompakt Nr. 112
Abbeizen von Holzoberflächen mit lösemittelhaltigen Abbeizern
Durch Abbeizen werden alte Beschichtungen (Farben, Lacke) von der Holzoberfläche entfernt. Typische Abbeizer enthalten zum Beispiel Ester in Verbindung mit organischen Lösemitteln. Hinweis: Werden Laugen als Abbeizer verwendet, bitte die Arbeitschutz-Kompakt-Ausgabe Nr. 111 „Abbeizen von Holzoberflächen mit Laugen“ beachten.
Lösemittelhaltige Abbeizer werden üblicherweise mit einem Pinsel auf das Werkstück aufgetragen. Um die Einwirkung zu verbessern, kann die behandelte Oberfläche mit Folie abgedeckt werden. Nach einiger Zeit werden die angelösten Farbschichten zum Beispiel mit einem Spachtel abgenommen. Bei Bedarf wird die Oberfläche mit einer Bürste nachbearbeitet oder es wird erneut Abbeizer aufgetragen. Nach der Entfernung aller Deckschichten wird das Werkstück mit viel Wasser abgespült.
Beim Verarbeiten kann die Gesundheit gefährdet werden, wenn Lösemitteldämpfe eingeatmet oder über die Haut aufgenommen werden. Bei direktem Hautkontakt kann zudem die Haut aufgrund der entfettenden Wirkung geschädigt werden. Einige Abbeizer wirken bei direktem Kontakt stark ätzend auf Haut, Augen und Schleimhäute. Das kann bis zur Zerstörung der betroffenen Körperstellen gehen.
Lösemittelhaltige Abbeizer sind in der Regel entzündbar. Besonders wenn Abbeizer aus Sprühdosen eingesetzt werden, kann sich ein explosionsfähiges Dampf-Luftgemisch bilden, das in Gegenwart einer Zündquelle explodieren kann. Lösemitteldämpfe sind meistens schwerer als Luft und sammeln sich daher in Bodennähe.
Dichlormethan (Methylenchlorid)-haltige Abbeizer dürfen nicht mehr verwendet werden.
Nicht zur Verwendung empfohlen werden Abbeizer mit den folgenden Inhaltsstoffen:
Methyl-2-pyrrolidon (NMP), N-Ethyl-2-pyrrolidon (NEP), Dimethylsulfoxid (DMSO), Gamma-Butyrolacton (GBL).
Auch die abzutragende Beschichtung kann stark gesundheitsgefährdend wirken. Alte Lacke und Farben können zum Beispiel Bleiverbindungen enthalten. In diesem Fall wären weitere Schutzmaßnahmen zu treffen (zum Beispiel entsprechend dem in TRGS 420, Anlage Nr. 10 beschriebenen Verfahren).
Falls nur gelegentlich abgebeizt wird, kann die Beauftragung eines Fachbetriebs vorteilhaft sein.
Vor dem Arbeiten:
- Aktuelle Sicherheitsdatenblätter der verwendeten Abbeizer besorgen (zum Beispiel vom Hersteller oder Lieferanten).
- Gefahrstoffverzeichnis und Explosionsschutzdokument ergänzen.
- Gefährdungsbeurteilung durchführen.
- Betriebsanweisung anhand der aktuellen Sicherheitsdatenblätter erstellen.
- Beschäftigte zu Gefährdungen und Schutzmaßnahmen unterweisen.
- Erste-Hilfe-Maßnahmen bereitstellen (zum Beispiel Augenspülbecken oder -flaschen).
- Schutzmaßnahmen veranlassen, Wirksamkeit überprüfen:
Substitution
- Keine Abbeizer aus Sprühdosen verwenden, stattdessen Auftrag durch Streichen.
- Nach Möglichkeit Abbeizer mit der geringsten Gefährdung einsetzen (zum Beispiel: leichtentzündbaren Abbeizer durch einen nicht entzündbaren ersetzen).
Technische Schutzmaßnahmen
- Für ausreichende Belüftung/Frischluftzufuhr beziehungsweise Absaugung sorgen.
Organisatorische Schutzmaßnahmen
- Maximal den Schichtbedarf an Abbeizer am Arbeitsplatz vorhalten.
- Beim Umfüllen in kleinere Gebinde nur bruchfeste und beständige Behältnisse benutzen und wie das Originalgebinde kennzeichnen.
- Bei selbst angesetzten Abbeizermischungen erfolgt die Kennzeichnung nach den Vorgaben der TRGS 201.
- Beim Arbeiten mit entzündbaren Abbeizern alle Zündquellen fernhalten (zum Beispiel kein offenes Feuer, keine Funken, keine heißen Oberflächen, elektrische Geräte entfernen, statische Elektrizität durch Erden ableiten).
- Niemals Abbeizer in Behältnissen für Lebensmittel lagern (Verwechslungsgefahr!).
- Bei der Lagerung von Abbeizern Vorgaben der TRGS 510 beachten.
- Arbeitsmedizinische Vorsorge umsetzen. Sie muss zum Beispiel angeboten werden, wenn der Abbeizer Lösemittel wie Methanol oder 2-Butanon enthält.
- Beschäftigungsbeschränkungen umsetzen: Jugendarbeitsschutzgesetz, Mutterschutzgesetz.
Persönliche Schutzmaßnahmen
Es muss geeignete persönliche Schutzausrüstung (PSA) zur Verfügung gestellt werden. Hierfür sollten in erster Linie die Vorgaben aus Kapitel 8.2 des jeweiligen Sicherheitsdatenblatts befolgt werden. Erfahrungsgemäß ist jedoch die Qualität der Sicherheitsdatenblätter je nach Hersteller/Lieferant unterschiedlich hoch. Falls das Sicherheitsdatenblatt keine spezifischen Angaben zur PSA enthält, kann sich an den folgenden Punkten orientiert werden:
- Augenschutz: Dichtschließende Korbbrille verwenden.
- Hautschutz: Chemikalienschutzhandschuhe tragen. Sehr häufig eignen sich Handschuhe aus Butylkautschuk (Dicke 0,7 mm). Durchdringungszeit und maximale Tragedauer der Schutzhandschuhe beachten. Beschädigte Schutzhandschuhe sofort ersetzen. Keine Haushaltshandschuhe benutzen. Leder- und Stoffhandschuhe sind völlig ungeeignet.
- Enganliegende schwerentflammbare Arbeitskleidung tragen. Zusätzlich chemikalienresistente, ausreichend lange Schürze sowie elektrisch ableitende Chemikalienschutzschuhe benutzen. Bei erhöhter Gefährdung (zum Beispiel bei großflächiger Anwendung) muss ein Ganzkörper-Chemikalienschutzanzug getragen werden.
- Hautschutzplan auf Hautbelastung abstimmen (Schutz, Reinigung, Pflege).
- Atemschutz: Bei Verarbeiten des Abbeizers durch Streichen und wirksamer Belüftung/Absaugung in der Regel nicht notwendig. Sollte dennoch Atemschutz benötigt werden, wird eine Maske mit Filter A2P2 (Kennfarbe: braun/weiß) empfohlen. Maximal zulässige Einsatzdauer des Filters beachten.
Während der Arbeiten:
- Geeignete persönliche Schutzausrüstung verwenden.
- Schutzmaßnahmen anwenden.
- Nicht essen, trinken, rauchen.
- Keine Nahrungsmittel im Arbeitsbereich aufbewahren.
- Gefäße, Gebinde stets geschlossen halten und nur zur Substanzentnahme öffnen.
- Benetzte saugfähige Arbeitskleidung sofort ausziehen.
Nach dem Arbeiten:
- Hände reinigen, Hautpflege gemäß Hautschutzplan anwenden.
- Verschmutzte Schutzkleidung vor Wiederverwendung reinigen.
- Arbeitsmittel gut reinigen.
- Abgelöste Farbschichten und Reste des Abbeizers entsprechend den örtlichen gesetzlichen Vorgaben entsorgen.
Weitere Informationen:
- TRGS 201 „Einstufung und Kennzeichnung bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen“ (Link: baua)
- TRGS 400 „Gefährdungsbeurteilung für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen“ (Link: baua)
- TRGS 401 „Gefährdung durch Hautkontakt – Ermittlung, Beurteilung, Maßnahmen“ (Link: baua)
- TRGS 402 „Ermitteln und Beurteilen der Gefährdungen bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen: Inhalative Exposition“ (Link: baua)
- TRGS 420 „Verfahrens- und stoffspezifische Kriterien (VSK) für die Ermittlung und Beurteilung der inhalativen Exposition“, Anlage Nr. 10 (Link: baua)
- TRGS 505 „Blei“ (Link: baua)
- TRGS 510 „Lagerung von Gefahrstoffen in ortsbeweglichen Behältern“ (Link: baua)
- TRGS 555 „Betriebsanweisung und Information der Beschäftigten“ (Link: baua)
- TRGS 900 „Arbeitsplatzgrenzwerte“ (Link: baua)
- DGUV-Regel 109-606 „Branche Tischler- Schreinerhandwerk“
- DGUV Information 209-042 „Gefahrstoffe im Schreiner-/Tischlerhandwerk und der Möbelfertigung“
- Merkblätter M 062, M 063 (BG RCI) „Lagerung von Gefahrstoffen“ (Link: bgrci)
Stand: 06/2024