DGUV Vorschrift 2 sowie Regel 100-002 "Betriebsärztinnen und Betriebsärzte sowie Fachkräfte für Arbeitssicherheit"
§ 6 Nutzung von digitalen Informations- und Kommunikationstechnologien
(1) Betriebsärztliche und sicherheitstechnische Betreuung muss grundsätzlich in Präsenz erbracht werden. Die Leistungen können unter Nutzung digitaler In- formations- und Kommunikationstechnologien erfolgen, wenn die betrieblichen Verhältnisse bekannt sind. Diese Art der Betreuung ist durch die Betriebsärztin oder den Betriebsarzt sowie die Fachkraft für Arbeitssicherheit persönlich zu erbringen. Diese Art der Betreuung ist nicht möglich, wenn Sachgründe eine betriebsärztliche oder sicherheitstechnische Betreuung in Präsenz im Betrieb erfordern.
(2) In der Betreuung nach § 2 Absatz 2 und 3 dieser Unfallverhütungsvorschrift ist die Nutzung digitaler Informations- und Kommunikationstechnologien jeweils bis zu einem Drittel der Leistungen möglich, wenn der Betrieb durch eine Erstbegehung bekannt ist und die jeweils notwendigen Voraussetzungen für die Anwendung von digitalen Informations- und Kommunikationstechnologien vorliegen.
(3) In der anlassbezogenen Betreuung nach § 2 Absatz 4 dieser Unfallverhütungsvorschrift entscheidet der Unternehmer auf Grundlage seiner Gefährdungsbeurteilung über Art und Umfang der Nutzung digitaler Informations- und Kommunikationstechnologien.
(4) Bei der Beratung zu speziellen Fachthemen durch Personen mit entsprechender Fachkompetenz, die nicht über eine Qualifikation als Betriebsärztin oder Betriebsarzt oder als Fachkraft für Arbeitssicherheit verfügen, gilt Absatz 3 entsprechend.
(5) Die Leistungserbringung unter Nutzung von digitalen Informations- und Kommunikationstechnologien ist im Bericht gemäß § 5 dieser Unfallverhütungsvorschrift zu dokumentieren.
Zu § 6:
Voraussetzungen für die Anwendung von digitalen Informations- und Kommunikationstechnologien sind u. a.:
- die Einhaltung rechtlicher Vorschriften, z. B.
- Datenschutzgrundverordnung,
- Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge,
- Berufsordnung
- die Schaffung technischer Voraussetzungen, geeigneter digitaler Infrastruktur (stabiler Netzwerkzugang, ausreichende Bandbreite insbesondere in ländlichen Bereichen) und Verschlüsselung sowie eine ausreichende Datensicherheit (Zugriffsrechte, Sicherheit der Datenübertragung, Datenspeicherung und - löschung, Zugriff Dritter auf die gespeicherten Daten nur mit Einwilligung im Einzelfall. Zugang dürfen nur beteiligte Personen haben, Aufzeichnungen sind nicht gestattet).
- bei ärztlicher Betreuung die Versorgung nach Facharztstandard.
Zudem müssen die Beteiligten über das digitale Format informiert und damit einverstanden sein.
Sachgründe können die Präsenz der Betriebsärztin oder des Betriebsarztes oder der Fachkraft für Arbeitssicherheit im Betrieb erforderlich machen. In diesen Fällen ist die Nutzung von digitalen Informations- und Kommunikationstechnologien nicht möglich. Sachgründe für eine Präsenz im Betrieb können u. a. sein: wiederholte Begehungen aufgrund von erheblichen Änderungen im Betrieb, Teilnahme an Sitzungen des Arbeitsschutzausschusses (ASA) in Präsenz gewünscht, etc.
Die Betreuung unter Nutzung digitaler Informations- und Kommunikationstechnologien erfordert bei einer Betreuung nach § 2 Absatz 2 und 3 dieser Unfallverhütungsvorschrift die Kenntnis der betrieblichen Verhältnisse durch eine Begehung, die jeweils persönlich durch eine Betriebsärztin oder einen Betriebsarzt oder eine Fachkraft für Arbeitssicherheit vor Ort im Betrieb zu erfolgen hat.
Eine betriebsärztliche Nutzung von digitalen Informations- und Kommunikationstechnologien ist beispielsweise die Telemedizin:
Telemedizin umfasst unter anderem Telekonsultation, Telemonitoring und Telekonsil. Bei Telemedizin in der betrieblichen Betreuung kann zwischen Betreuung mit persönlichem Bezug zu Beschäftigten (Beratung, Vorsorge, Untersuchung) und anderen Tätigkeiten im Rahmen betriebsärztlicher Aufgaben (z. B. Beratung des Unternehmers, Teilnahme am Arbeitsschutzausschuss) unterschieden werden (siehe auch Letzel, S.: Digital Health, E-Health, Telemedizin und Co: Terminologische Einordnung, in: DGAUM (Hrsg.) 2020: Telemedizin: E-Health in der Arbeitsmedizin.).
Mögliche Anwendungen der telemedizinischen Betreuung der Beschäftigten sind in der anlassbezogenen bzw. betriebsspezifischen Betreuung die Telekonsultation und die Telediagnostik. Die Befundübertragung im Rahmen arbeitsmedizinscher Vor- sorge und delegierbarer Leistungen, wie Blutdruck, Puls, Ruhe-EKG, Audiometrie, Spirometrie oder Otoskopie, kann ebenfalls telemedizinisch erfolgen. Die ärztliche Beratung und Betreuung in Ergänzung zu den Untersuchungen müssen durch die Betriebsärztin oder den Betriebsarzt persönlich erfolgen. Arbeitsmedizinische Vor- sorge kann nicht ausschließlich telemedizinisch erfolgen. Der persönliche Kontakt zwischen Betriebsärztin oder Betriebsarzt und Beschäftigten zum frühestmöglichen Zeitpunkt ist im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge, Untersuchung und Beratung unabdingbar. Insbesondere im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge müssen die Beschäftigten über das besondere telemedizinische Format aufgeklärt werden und damit einverstanden sein. In diesem Fall muss eine Einverständniserklärung in Textform vorliegen.